Berlin - ein idealer Ort für EXPERIMENTATION, EXPLORATION UND EXPANSION
IMPROVISATION
1991 zog ich nach Ost-Berlin, in den Bezirk Prenzlauer Berg. Ich kam sofort in Kontakt mit der dortigen Szene der freien IMPROVISATION und beteiligte mich an vielen Projekten und Aktivitäten: In einem Improvisationschor, beim Kryptonale Festival und der Produktion der CD Kryptöne, bei der Präsentation von Stummfilmen mit Live-Musik, bei Ausstellungseröffnungen, in einer Improvisationstheatergruppe und in der Zusammenarbeit mit Tänzer*innen, Schriftsteller*innen und Maler*innen.
Wir haben in Kulturzentren, Galerien, Frauenzentren, besetzten Häusern, an unbekannten und seltsamen Orten aller Art gespielt. Ich experimentierte auch mit exotischen Instrumenten, mit Stimme und erweiterte mein Instrumentarium mit Installationen aus Schrott, mit allem, was klingt.
Ich nahm an Improvisationskursen mit Joëlle Leandre, Pauline Oliveros und AMM teil.
Cover der CD Kryptöne, Harmonia Mundi, 1995
Fremd in anderen Klängen. Foto: Magdalena Esponda
ZEITGENÖSSISCHE MUSIK
Ich spielte weiterhin zeitgenössische Musik als Solistin oder im ConGioco Ensemble, das ich während meines Studiums an der Folkwang Universität Essen mitgegründet hatte, und spielte in verschiedenen anderen Ensembles für zeitgenössische Musik wie der Düsseldorfer Sinfonietta, dem Ensemble Neue Musik Düsseldorf, dem Ensemble Go Ahead, dem Attacca Ensemble und von 1991 bis 1995 war ich Flötist im Kammerensemble Neue Musik Berlin (KNM).
Ich wirkte bei Hörfunk- und Fernsehproduktionen für den Westdeutschen Rundfunk WDR, den Sender Freies Berlin SFB, den Norddeutschen Rundfunk NDR, den Hessischen Rundfunk HR, den Ostdeutschen Rundfunk Brandenburg ORB, das Zweite Deutsche Fernsehen ZDF/arte mit.
Probenfoto KMN mit Dieter Schnebel, Berlin 1994
FEMINISMUS UND POLITISCHE UND/ODER HISTORISCHE THEMEN
Ich ließ mich in den AStA der Folkwang Hochschule wählen, übernahm das Frauenressort und organisierte Veranstaltungen oder Kurse von und für Frauen. U.a. führte ich eine Kampagne durch, die die Unterrepräsentation von Professorinnen an der Universität anprangerte.
Mit dem ConGioco Ensemble haben wir uns auf die Präsentation von Werken von Komponistinnen konzentriert, indem wir ausschließlich Konzerte von Komponistinnen programmiert und viele Werke von Komponistinnen uraufgeführt haben, die wir in Auftrag gegeben hatten.
Ich habe vorzugsweise in Frauen-Improvisations- und Performance-Gruppen mitgewirkt und bin in meinen Kompositionen hauptsächlich auf Frauen und ihre Werke eingegangen (Gertrude Stein, Marieluise Fleisser, Luise Nevelson usw.). Mehrere Jahre lang habe ich in Berlin Großveranstaltungen zum 8. März, dem Tag der Arbeiterinnen, organisiert.
Ab 1995 kam ich in Kontakt mit den Überlebenden des Frauenkonzentrationslagers Ravensbrück und arbeitete mit und für sie an vielen dokumentarischen und künstlerischen Projekten.
Noch während ich in Berlin lebte, realisierte ich zusammen mit der spanischen Historikerin Fernanda Romeu zwei elektroakustische Werke mit und für die Frauen im Widerstand gegen den Franquismus.
Mit Irmgard Konrad in der Gedenkstätte Ravensbrück, 2003
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Performance Kunstschiff ANNA, Berlin. Foto: Magdalena Esponda
PERFORMANCE
1992 machte ich meine erste PERFORMANCE mit der Tänzerin Conny Hege auf der Grundlage von Texten von Anaïs Nin. Indem ich mich improvisierend im Raum bewegte, mit Requisiten und Klangobjekten experimentierte und mit Tänzer*innen oder Schauspieler*innen zusammenarbeitete, verwandelte ich meine Improvisationen mehr und mehr in Performances. Ich begann, selbst zu tanzen, gesprochene Texte zu verwenden und Konzepte für Gruppen von Improvisator*innen und Performer*innen zu entwickeln.
1995 gründete ich zusammen mit Veronika Otto - Cello und Susanne Kukies - Stimme die Performance-Gruppe TRIORA. Wir haben meine konzeptionelle Komposition KOLOR-IT, eine szenische und theatralische Improvisation, uraufgeführt und sie ein Jahr lang an verschiedenen Orten gespielt.
Zwischen 1995 und 1998 trat ich als Performance-Duo mit Magdalena Esponda auf. In unseren Aufführungen löste ich mich mehr und mehr vom Musikinstrument und wandte mich dem körperlichen und theatralischen Ausdruck zu. Thematisch haben wir uns schließlich auf politische Themen konzentriert, zum Beispiel auf die Unterstützung der revolutionären Bewegung zunächst in Albanien und dann im Kosovo in Zusammenarbeit mit Aktivist*innen und Künstler*innen aus diesen Ländern. Wir präsentierten unsere Performances in Theatern, Kulturzentren, auf dem Kunstschiff ANNA sowie in der Nationalbibliothek und der Humboldt-Universität in Berlin.
ConGioco Ensemble mit Gabi Gärtner - Malerin, Kunstschiff ANNA, Berlin 1998. Foto: M. Esponda
KOMPOSITION
Bereits vertraut mit der Ausarbeitung von Konzepten für Improvisations- oder Performancegruppen, entwickelte ich für das ConGioco Ensemble meine erste KOMPOSITION, ein Bühnenwerk nach einem Text von Gertrude Stein, das 1996 im Rahmen des Zyklus Unerhörte Musik im BKA-Theater Berlin uraufgeführt wurde.
Es folgten mehrere Werke für Solist*innen und Ensembles und im Jahr 2002 erhielt ich schließlich ein Kompositionsstipendium des Berliner Senats für Wissenschaft, Forschung und Kultur.
1999 richtete ich ein elektronisches Studio mit professionellen Aufnahme- und Bearbeitungsgeräten ein. Im Jahr 2000 wurde meine erste elektroakustische Komposition auf dem Festival Nachhall in Berlin uraufgeführt.
Im Jahr 2001 produzierte ich in meinem Studio die CD Nackt, Solo-Improvisationen mit meinen eigenen Flöten, die im Eigenverlag bei hornisse erschienen ist.
ABSCHLUSSBETRACHTUNG
In diesen 13 Jahren in Berlin zwischen 1991 und 2004 drehte sich mein künstlerisches und organisatorisches Schaffen fast ausschließlich um politische und/oder soziale Themen:
- mit dem ConGioco Ensemble starre und überholte Strukturen der klassischen Musik auzufbrechen und die Unterrepräsentation von Komponistinnen anzuprangern;
- mit meinen Auftritten zu aktuellen Themen wie dem Unabhängigkeitskampf in Albanien und im Kosovo oder der Situation in den Gefängnissen der Türkei;
- in meinen Kompositionen, die sich auf die Situation der Vietnames*innen in Deutschland konzentrierten;
- Entschädigungsansprüche für die Zwangsarbeiter*innen während des National-sozialismus fordernd;
- mit Schwerpunkt auf dem Frauenkonzentrationslager Ravensbrück durch verschiedene Projekte mit und für die Überlebenden;
- die Rolle der Frauen im Widerstand gegen den Franquismus zu betonen.
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