METANOIA
seit 2018
METANOIA ist eine feste Gruppe von acht Künstlerinnen: die bildenden Künstlerinnen Almudena Mora, Angiola Bonanni, Elena Jiménez, Isabel Arroyo, Johanna Speidel, Silvia Reneses, die Musikerin und Videokünstlerin Ebba Rohweder und die Poetin Noni Benegas.
Wir sind alle in Madrid ansässig - obwohl wir aus verschiedenen Ländern wie Spanien, Italien, Deutschland und Argentinien stammen - und treffen uns seit Februar 2018 einmal im Monat, um über Kunst zu sprechen, Ausstellungen zu besuchen und zu kommentieren, Informationen auszutauschen, uns unsere Arbeiten zu zeigen und uns gegenseitig zu unterstützen - und so eine peargroup zu bilden.
Seit Februar 2018 monatliche Treffen - während der Pandemie mit zoom.
Künstler*innen im Viertel - Metanoia, Studio Almudena Mora, Madrid, 2019
DIE ERSTE WELLE - alle 8 Tage ein Kunstwerk
Projekt von März bis Juli 2020
Einführung
Im März 2020, zu Beginn des allgemeinen Alarmzustands und des ersten lockdowns aufgrund der Covidpandemie, schlug ich vor, uns gegenseitig Werke in alphabetischer Reihenfolge unserer Namen per E-Mail zu schicken.
Ohne Einschränkungen in Bezug auf Thema oder Medium und ohne zeitliche Begrenzung tauschten wir unsere Werke monatelang in einem freien Fluss aus - jeden Tag erhielten wir ein Werk und jeden achten Tag schickten wir ein eigenes Werk.
Der lange, unbefristete Zeitraum ermöglichte eine kontinuierliche künstlerische Produktion, die auf die wechselnden Stimmungen in einer außergewöhnlichen und noch nie dagewesenen Situation einging: die Erfahrungen während einer Pandemie.
Die hier vorgestellten Werke wurden speziell für dieses Projekt DIE ERSTE WELLE - alle 8 Tage ein Kunstwerk zwischen März und Juli 2020 geschaffen.
Werke von Ebba Rohweder
Die ersten Werke San Isidro I-III sind eine Aufzeichnung von Beobachtungen, Empfindungen und Erfahrungen am Beginn des lockdowns und spiegeln meine spezifische persönliche Situation wider: Als Hundebesitzerin konnte ich spazieren gehen, wenn auch nur in einem Radius von 100 Metern um meine Wohnung in einem grünen Viertel von Madrid mit großen Parks, mehreren Friedhöfen und der Leichenhalle San Isidro.
Diese Spaziergänge, die sich mehrmals am Tag wiederholten und bei denen ich immer die gleiche Strecke zurücklegte, schärften sich alle meine Sinne - Sehen, Hören, Riechen - und die seltenen Begegnungen mit anderen Menschen wurden zu einem aussergewöhnlichen Erlebnis.
das virus verscheuchen JETZT ist der Versuch, mit einem unsichtbaren und völlig unbekannten Virus in Kontakt zu treten, eine Beschwörung durch eine Flötenimprovisation von meinem Balkon aus, die die Verzweiflung ausdrückt, doch das Virus vielleicht meine Musik hören kann und dadurch verscheucht werden könnte.
Der Blick von meinem Balkon auf die Zufahrt zur Leichenhalle von San Isidro wurde zu einem schmerzhaften Privileg: Die Zahlen der Coronavirus-Toten haben ein Gesicht und wurden durch die tägliche endlose Schlange der Leichenwagen sichtbar und hörbar gemacht.
Ich stellte an einem beliebigen Tag die Kamera auf meinem Balkon so auf, dass sie diese unaufhörliche Bewegung aufzeichnete. Während die Kamera lief, erhielt ich einen Anruf, dass meine Freundin Elisa an diesem Tag in einem Pflegeheim am Coronavirus gestorben war.
Das Video ist eine Hommage an Elisa und an alle, die an der Pandemie gestorben sind.
Warum gibt es in Spanien im Vergleich zu anderen Ländern so viel Leid und so viele Todesfälle durch das Coronavirus? Wovon hängt die Ausbreitung des Virus ab und warum scheinen einige Länder sich vom Virus zu befreien und andere nicht ? Hätte die Situation besser kontrolliert und angegangen werden können? Alle blickten mit Bewunderung nach Deutschland, wo die erste Welle fast keine Spuren hinterlassen hat, so dass man das Gefühl hat, dass alles - wie immer - besser gemacht wurde.
Jetzt, mitten in der zweiten Welle der Pandemie, wissen wir, dass das Virus unkontrollierbar und unberechenbar ist - das deutsche Wunder gibt es nicht.
Nachdem ich mich allmählich aus der Schockstarre der letzten Monate befreit hatte, startete ich die Umfrage Historischer Moment I, in der ich nach persönlichen Erfahrungen - Empfindungen, Meinungen und Interpretationen - aus der Vogelperspektive fragte. Obwohl ich persönlich Ende Mai davon ausgegangen war, dass wir einen historischen Moment erlebt haben und erleben, löste die Umfrage einige Einwände und eine Diskussion darüber aus, ob die Pandemie eine ausreichend existenzielle Veränderung hervorruft, um als historischer Moment bezeichnet zu werden.
Das Video HARTA(dt.: überdrüssig) drückt das Gefühl von Müdigkeit, Erschöpfung und Ausgelaugtheit aus und bereitet das folgende Video ESCONDIDO (dt.: verborgen) vor: Es scheint, dass das Virus sich allmählich zurückzieht, aber nicht verschwindet.
Gelb auf schwarzem Grund III - Acryl auf Papier, 21 x 29 cm
Danksagung
An die Gruppe Metanoia: Almudena Mora, Angiola Bonanni, Elena Jimenez, Isabel Arroyo, Johanna Speidel, Noni Benegas und Silvia Reneses.
Ich möchte mich bei meinen Reisebegleiterinnen bedanken, die in dieser schwierigen Zeit in ständigem Kontakt mit mir standen, um diese erschütternde und überwältigende Situation zu überstehen. Es war ein unbezahlbares Privileg, täglich ein Werk zu erhalten, Antworten, Kommentare und Kritiken zu unseren eigenen Arbeiten zu bekommen, eine Gruppe zu bilden, die sich vergewissert, dass wir lebendig sind, die Quarantäne so zu durchbrechen und trotz des lockdowns ein kritisches Publikum zu haben - so notwendig in Zeiten ohne Ausstellungen, geschlossene Galerien und Museen und ohne die Möglichkeit physischer Begegnungen. Ich danke euch allen für so viele unvergessliche Geschenke.
Die hier vorgestellten Werke entstanden im Rahmen des im März 2020 gestarteten Austauschprojektes. Obwohl jedes Werk unabhängig von den Werken der anderen Künstlerinnen existiert, besteht der unterirdische Wunsch, in nicht allzu ferner Zukunft die Erzählung/das Geflecht/das Kaleidoskop in einer Ausstellung, einem Katalog usw. zu vervollständigen, in dem die mehr als 130 Werke, die alle in den Monaten der ersten Welle der Pandemie produziert haben, zusammengefasst werden.
Madrid, Dezember 2020
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METANOIA
ISABEL ARROYO, ELENA JIMENEZ, ANGIOLA BONANNI, SILVIA RENESES,
EBBA ROHWEDER, NONI BENEGAS, JOHANNA SPEIDEL y ALMUDENA MORA
2019
Künstler*innen im Viertel - Metanoia
Studio Almudena Mora, Madrid
2020
Die erste Welle - alle 8 Tage ein Kunstwerk
Projekt von März bis Juli 2020
2021
Projekt BRIEFE AN DIE HEILIGEN DREI KÖNIGINNEN
2021
Projekt POSTKARTEN
2022
METANOIA
Gruppenausstellung Espacio Intermitente, Madrid
San Isidro I, Aquarell auf Papier und Text, A4
Übersetzung:
22. März 2020
Ein beliebiger Tag
Ich stehe auf und trinke meinen Kaffee mit Milch. Ich ziehe mich an und gehe mit meinem Hund raus. Es ist Frühling. Die Vögel singen und viele Pflanzen blühen. Bis 10 Uhr habe ich bereits vier Polizeistreifen und mindestens sechs Leichenwagen gesehen.
Die Straßen sind leer. Es gibt nur Leute mit Masken, die ihre Hunde ausführen. Heute ist es sonnig.
Das deutsche Wunder - Karte von Deutschland in Blattgold und Text, 29 x 21 cm
Mitten in der Benommenheit, überwältigt von den intensiven Gefühlen der letzten Wochen, kam endlich der Moment eines gewissen Erwachens. Aber es war kein erleichtertes Erwachen nach einem Albtraum, sondern ein bittersüßes Erwachen aus einem verrosteten Traum: Vieles hatte sich verändert und nichts hatte sich verändert. Die gesamte Wirtschaft kam für eine Weile zum Stillstand und infolgedessen beruhigten sich alle Aktivitäten: Die Autos blieben am Bürgersteigen stehen, die Luft war für eine Weile sauber und atembar und es herrschte Stille.
Die gesamte Wirtschaft war für eine Weile zum Stillstand gekommen und infolgedessen beruhigten sich alle Aktivitäten: Autos standen geparkt am Straßenrand, die Luft war für eine Weile sauber, atembar und es herrschte Stille.
Jedoch das soziale und politische Leben ging unterdessen ununterbrochen weiter. Jetzt bringen sie die ökologische Wende, die erneuerbaren Energien und den Grünen Plan der EU mit Milliardensubventionen für die Automobilindustrie auf den Weg.
Es klingt gut und grün, hält aber nicht, was es verspricht. Das Video Grüner Plan veranschaulicht mit dissonantem Humor, wie grün, ökologisch und nachhaltig ein elektrisches, sauberes und emissionsfreies Auto überhaupt sein kann.
Die Hoffnung kehrt zurück und das Ende des Tunnels ist in Sicht: Die neue Realität wird vorbereitet, der Alarmzustand und die Einschränkung werden aufgehoben. Ich wollte nicht hinter diesem Optimismus zurückbleiben, auch wenn ich in meinem Pandemie-Tagebuch am 22. Juni 2020 notiert hatte: Es wird einen allmählichen Übergang zu einer neuen Welle geben... und plötzlich wird es eine weitere Quarantäne geben. Von einem Tag auf den anderen. Mit Gelb auf schwarzem Grund I-III habe ich versucht, ein farbenfrohes und leuchtendes Gefühl zu erzwingen, obwohl mir meine Prognosen eher dunkel erschienen.
Das Objekt/Buch Historischer Moment II schließt diese Phase der ersten Welle ab und lädt in Form einer Retrospektive dazu ein, auf die gesamte Zeit zurückzublicken: von den ersten Vorahnungen, den noch weit entfernten Ereignissen, der allmählichen Annäherung, der plötzlich vollen Welle bis hin zur sogenannten neuen Realität. Neben jedem Satz gibt es eine freie Seite, auf der eigene Kommentare notiert werden können, um ein persönliches Buch über die erste Welle der Pandemie zu vervollständigen.
Objekt/Buch Historischer Moment II, 2020
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